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"Am Ende gewinnt derjenige, der das meiste Venture Capital in der Tasche hat."

ImageBiopsy Lab auf Expansionskurs

Foto: Dr. Richard Ljuhar
Dr. Richard Ljuhar, Geschäftsführer ImageBiopsy Lab GmbH, Copyright: ImageBiopsy Lab GmbH

Mit der FDA-Zulassung als Medizinprodukt und der kürzlich erfolgten Finanzierungsrunde ist für ImageBiopsy Lab nun auch der Startschuss für den Roll-out in den USA gefallen. Mit der KI-gestützten Software zur Früherkennung und Diagnose von Knochenerkrankungen expandiert das Start-up in Europa und in Übersee. Welche Herausforderungen und Chancen sich dadurch ergeben, darüber haben wir mit Richard Ljuhar, dem Geschäftsführer der ImageBiopsy Lab GmbH, gesprochen. 

Euer Wachstumskurs der vergangenen Monate ist ziemlich beeindruckend. Ihr macht tolle Fortschritte und seid förmlich gar nicht mehr zu bremsen!

Richard:  Ja, unser Wachstum ist wirklich sehr erfreulich! Vor zwei Jahren bestand unser Kundenkreis vor allem aus Radiologen und Orthopäden aus unserem persönlichen Bekanntenkreis. Mit dem Aufbau unseres eigenen Vertriebsteams haben wir seither den Kundengewinnungsprozess stark professionalisiert und sprechen potenzielle Kunden gezielt an. So konnten wir unseren Absatzmarkt mittlerweile auf den Raum Deutschland, Schweiz und USA ausweiten. 

Mit dem Wachstum habt ihr in den vergangenen zwei Jahren euer Team von 14 auf 23 Mitarbeiter aufgestockt und seid nun auch in Wien in ein neues Office übersiedelt. 

Richard: Unser altes Büro im 13. Bezirk hat dem typischen Klischee eines Start-ups entsprochen. Wir haben zu sechst in einer Drei-Zimmer-Wohnung gearbeitet - die Küche haben wir zum Essen und für Besprechungen genutzt.  Anfänglich hat das recht gut funktioniert, da viele unserer Mitarbeiter noch studiert haben und nicht immer im Büro waren. Mit der wachsenden Anzahl an Mitarbeitern sind wir allerdings recht bald an den Punkt gekommen, wo wir geräuschreduzierende Kopfhörer tragen mussten, um ungestört arbeiten zu können. Die Küche hat sich dabei ebenfalls relativ schnell als ungeeignetes Besprechungszimmer herauskristallisiert [lacht]. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war uns klar, dass wir ein größeres Büro brauchen! 

Inwieweit hat die Coronakrise die Übersiedelung beeinflusst?

Richard: Bevor wir in ein neues Büro übersiedeln konnten, mussten wir evaluieren, inwieweit wir davon betroffen waren. Es hat sich allerdings recht bald herausgestellt, dass unsere Branche – Medical AI bzw. medizinische Software – nur bedingt vom Lockdown betroffen war. Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, nicht länger zu warten und in ein neues Büro mit einer verbesserten Infrastruktur und mehr Raumangebot in unmittelbarer Nähe zu unserem alten Büro zu übersiedeln. Da wir bereits im Jänner dieses Jahres alle Informationen in die Cloud verlagert hatten, konnten wir nicht nur den Umzug rasch durchführen sondern auch ein effizientes Home-Office-Konzept umsetzen und ohne nennenswerte Einschränkungen weiterarbeiten. 

Wie sieht der Plan für die kommenden Jahre aus? 

Richard: Wir werden uns auf unsere Expansion in den USA konzentrieren. Wir suchen bereits nach einer passenden Homebase an der Ostküste und haben auch einen Partner vor Ort, der uns dabei unterstützt. Darüber hinaus möchten wir Anfang 2021 eine Series A Finanzierungsrunde abschließen. Die ersten Gespräche mit europäischen und amerikanischen Investoren laufen bereits.  

Der Markteintritt in den USA war der nächste Schritt in eurem Wachstum. Wie habt ihr euch darauf vorbereitet?  

Richard: Einerseits haben wir durch unsere Bestandsinvestoren Zugang zu Partnern bekommen, die sich speziell auf die Unterstützung von US Market Access Projekten spezialisiert haben. Solche Partner zu finden ist in der Regel nicht trivial, weil man bei diesem Vorhaben nur allzu leicht viel Geld und Zeit verlieren kann. 

Im ersten Schritt haben wir Marktforschung betrieben und das Feedback ortsansässiger Radiologen und Orthopäden eingeholt. Damit wollten wir zunächst in Erfahrung bringen, was sie von unserer KI-Lösung halten und ob der entsprechende Bedarf dafür besteht. Wir haben das gleichzeitig für alle zukünftigen Produkte getestet und damit eine gute Einschätzung zum Marktpotenzial und unserer Zielgruppe erhalten. Das ist deshalb wichtig, weil die USA weltweit der attraktivste Markt für Medical AI ist aber gleichzeitig auch der kostspieligste. Eine Zulassung für ein Medizinprodukt kann in den USA schnell 100.000 Euro und mehr kosten. Da muss man schon vorher genau wissen, welches Produkt den größten Return on Investment bringt. 

Wie kann man sich die Gründung eines neuen Standortes in den USA derzeit vorstellen? In Zeiten einer Pandemie! Wie funktioniert das überhaupt? 

Richard: Im Softwarebereich ist dies zum Glück relativ leicht umzusetzen - man benötigt weder eine lokale Produktionsstätte noch eine große Niederlassung. Man braucht lediglich einen guten Anwalt, der sich sowohl mit dem lokalen Recht als auch dem EU-Recht gut auskennt. Hier hat uns erneut einer unserer Investoren ausgeholfen und uns einen exzellenten Anwalt in Boston vermittelt. Von da an war die Gründung unseres neuen Standortes eigentlich nur noch eine Formsache, die recht schnell mittels Emails und FedEx umgesetzt wurde. 

Und wie funktioniert die Zusammenarbeit mit dem US Team?

Richard: Wir halten mit unserem Team in den USA täglich Calls ab, aber das ist mit Sicherheit keine Dauerlösung. Die aktuellen Reiserestriktionen erschweren die gewohnte Art der Zusammenarbeit. Meiner Meinung nach kann der persönliche Kontakt nur mäßig durch Emails oder Zoom Calls ersetzt werden. Deshalb hoffen wir, dass sich die Situation Anfang 2021 entspannt und wir wieder persönlich vor Ort sein können.  

Wo genau befindet sich der neue Standort?

Richard: Wir haben uns für ein Büro in New Jersey entschieden, das uns einer unserer Partner zur Verfügung stellt - das funktioniert ganz ähnlich dem WeWork Konzept. Unser initialer Standort befindet sich in der Nähe vom Newark International Airport, der direkt von Wien aus angeflogen wird. Dieser Standort hat auch den großen Vorteil, dass wir nur dreißig Minuten ins Office brauchen, das ist für US Standards sehr kurz! 

Wieso habt ihr euch für diesen Standort entschieden? 

Richard: Für uns ging es darum, eine möglichst direkte Flugverbindung von Wien aus zu haben, um unkompliziert ein- und ausreisen zu können. Gleichzeitig wollten wir die Zeitverschiebung auf maximal sieben Stunden begrenzen, da viele Ärzte sehr zeitig in der Früh zu arbeiten beginnen. Deshalb ist auch die Ostküste der USA ideal. 

Zusätzlich ist es uns wichtig, möglichst nahe am Endkunden zu sein, also in der Nähe von großen Forschungs- und Universitätsclustern. Neben den bekannten Hubs wie Boston gibt es an der Ostküste der USA das sogenannte „Research Triangle“ rund um die Universitäten Duke, UNC (Anmerkung: University of North Carolina) und Wake Forrest. Dort haben wir gute Chancen, neue Mitarbeiter direkt von den Unis abzuwerben. Da sich fast jede Universität in den USA für die Ansiedelung von studiennahen Unternehmen einsetzt, hatten wir fast schon ein wenig die Qual der Wahl, für welchen Standort wir uns letztlich entscheiden sollten. 

Das heißt, ihr hattet die „schwere Aufgabe“, euch erst einmal zwischen den attraktiven Angeboten mehrerer Research Cluster entscheiden zu müssen? 

Richard: Ganz genau - neben Boston hatten wir auch die Möglichkeit, in New York bzw. in North Carolina auf einem Uni Campus einen Standort zu etablieren. 

Wie geht es nach dem USA Eintritt weiter? Was sind eure nächsten Schritte?

Richard: Unser Fokus liegt vor allem auf der US Markteinführung. Wir haben einen ersten Fuß in der Tür und das Potenzial dort ist enorm. Dafür bauen wir gerade die entsprechenden Sales & Customer Support Strukturen auf. 

Für die US Kunden zählen vor allem aussagekräftige klinische Daten - am besten von lokalen Key Opinion Leaders. Da wir bereits ein erstes Produkt in den USA zugelassen haben, gilt es nun, vor allem dafür erste Kunden zu gewinnen. Parallel dazu laufen die nächsten Einreichungen für die Medizinproduktezulassung. Mittel- bis langfristig planen wir mit 1.000+ Anwendern in der USA - das können wir natürlich nicht alleine stemmen und setzen hier ganz bewusst auf kommerzielle Partnerschaften mit Partnern aus der Radiologie und Orthopädie. Damit fokussieren wir uns mehr auf das Key Account Management und weniger auf den direkten Vertrieb. 

Welche Vorteile bringt die Expansion in die USA noch?

Richard: Die USA zeichnet der hohe Grad an Technisierung sowie die Bereitschaft - bzw. Offenheit -aus, neue Technologien schnell und unkompliziert zu implementieren. Dies hilft gerade Unternehmen wie uns, da wir eine Technologie anbieten, die in vielerlei Hinsicht einen Paradigmenwechsel in der Diagnose von medizinischen Bilddaten darstellt. Europa ist hier tendenziell eher konservativ und in einer abwartenden Position. Wenn schließlich eine neue Technologie vom Markt akzeptiert wird, bedeutet das aber auch, dass es nicht lange dauert, bis andere Firmen nachziehen und vergleichbare Produkt lancieren. Am Ende gewinnt derjenige, der das meiste Venture Capital in der Tasche hat. 

Vielen Dank für das Interview!
 
Interviewpartner:

Richard Ljuhar hat die ImageBiopsy Lab GmbH im Jahr 2016 gegründet und ist als Geschäftsführer tätig. Er leitet Forschungsprojekte, die Produktentwicklung und ist für die Investor Relations verantwortlich. Er ist am 10. September 2020 beim World IP Day in Wien zu Gast und wird bei einem Vortrag über die Anwendung von künstlicher Intelligenz in der medizinischen Bildgebung sprechen. Nähere Details zu dieser Veranstaltung finden Sie auf der Webseite von NCP-IP

ImageBiopsy Lab ist seit 2018 im Portfolio des aws Gründerfonds und hat erst kürzlich eine weitere Finanzierungsrunde abgeschlossen. Aktuell ist das Unternehmen im Fundraisingprozess für die Anfang 2021 geplante Series A Finanzierungsrunde. Hierzu soll ein internationales Konsortium aufgestellt werden. Erste Gespräche mit europäischen und amerikanischen Fachinvestoren werden bereits geführt.