Wie es zu dem Investment kam und welche Kriterien ausschlaggebend waren, haben wir mit Markus Jandrinitsch, dem zuständigen Investmentmanager des aws Gründerfonds, besprochen. Mit dem Fruchtbarkeitstracker breathe ilo gelingt es Carbomed, anhand der Atemluft den natürlichen Zyklus von Frauen zu bestimmen. Damit unterstützt das Start-up Frauen bei der Verwirklichung ihres Kinderwunsches.
Wie geht man als Investment Manager mit einem so sensiblen Thema wie dem weiblichen Zyklus und der Fruchtbarkeit von Frauen um? Gibt es hier „Berührungsängste“?
Markus: Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil, mich hat die Recherche, die mit dem Investment an der Carbomed einherging, richtig gefesselt. Es fühlte sich zeitweise gar nicht nach Arbeit an (lacht). Der FemTech Markt ist aktuell einer der größten Wachstumsmärkte, in dem viele große Player aus der Pharma- und Technologiebranche versuchen, Fuß zu fassen. Das allein hat schon den Reiz, dass wir gerade in dem Bereich in Österreich einen noch ungeschliffenen Rohdiamanten haben. Das hat sofort jede mögliche Berührungsangst bei mir verschwinden lassen. Ich war eher geschockt, wie viele Wissenslücken ich in dem Bereich hatte!
Inwieweit hast du dich in das Thema eingelesen? Musstest du dich auch auf sachlicher Ebene damit auseinandersetzen?
Markus: Klar, aber wie eingangs bereits erwähnt, ist eine gründliche Recherche vor jedem Investment ein Muss. Hier lag für mich jedoch die Besonderheit in der Neuheit der Technologie – oder anders formuliert - in der neuartigen Anwendung. Die Erkenntnisse über die Veränderung der Atemgaszusammensetzung während des Zyklus sind ja zum Teil schon 70 Jahre alt, aber nur unter einer Handvoll absoluter Spezialisten bekannt. Hier waren die Expertengespräche, die wir im Zuge unserer Due Diligence Prüfung geführt haben, extrem aufschlussreich. Wir waren nach jedem Gespräch aufs Neue verblüfft, wie wenig wir eigentlich darüber wussten. Genau genommen nämlich gar nichts!
Wie beurteilst du aufgrund deiner Recherchen und Hintergrundgespräche die aktuelle Situation zum Thema Kinderwunsch? Siehst du den hohen Bedarf am Markt bestätigt?
Markus: Ich denke, über den Kinderwunsch an sich gibt es wenig zu diskutieren. Der ist evolutionär in uns verankert. Was jedoch der gesellschaftliche Wandel in den vergangenen 30 Jahren mit sich gebracht hat, ist, dass sich das Durchschnittsalter, in dem Frauen Kinder bekommen, stetig erhöht. Es liegt in Österreich aktuell bei rund 31 Jahren. Im Vergleich dazu lag es Ende der 80er Jahre noch bei rund 27 Jahren. Das Durchschnittsalter der Frauen, die zum ersten Mal ein Kind bekommen, stieg im selben Zeitraum sogar noch deutlicher von 24,6 auf knapp 30 Jahre. Mit dem steigenden Alter steigt aber auch die Wahrscheinlichkeit, dass Paare mit einem Kinderwunsch etwas länger brauchen, bis er in Erfüllung geht. Weiß man als Paar jedoch auf den Tag genau, wann ein fertiles Fenster ist, kann man strukturiert daran „arbeiten“. Das ist jetzt zwar nicht sehr romantisch von mir formuliert, aber es hilft in der Praxis sehr. Unserer Ansicht nach ist der breathe ilo damit das Hilfsmittel am Markt, das mit dem geringsten Aufwand die höchste Genauigkeit bietet.
Wann hattest du das erste Mal Kontakt zu Carbomed? Wie ist der Kontakt zustande gekommen?
Markus: Ich weiß es nicht mehr auf den Tag genau, aber wir haben bereits vor mehr als zwei Jahren von jemandem aus unserem Netzwerk das Pitchdeck zugesandt bekommen. Damals waren sie zwar noch in der Entwicklungsphase, aber die Idee hat uns schon so gepackt, dass wir über zwei Jahre in Kontakt geblieben sind, um die Entwicklung mitzuverfolgen und den richtigen Zeitpunkt für den Einstieg nicht zu verpassen.
Worauf achtest du bei einem neuen Projekt insbesondere? Wann empfindest du ein Projekt als besonders „sexy“?
Markus: Die Innovationskraft des Produktes und die Zusammensetzung des Teams stehen für mich an erster Stelle. Das Produkt muss sich deutlich von bereits gesehenen Produkten und Lösungen am Markt abheben und gleichzeitig muss ein Team an Board sein, das die notwendigen Fähigkeiten mitbringt, diese Produkte auch tatsächlich mit der erforderlichen Geschwindigkeit in den Markt zu bringen. Der berühmte „Einheitsbrei“ hat es also sehr schwer, beachtet zu werden.
Welche Aspekte treffen hierbei auf Carbomed zu?
Markus: Beide. Es gibt erstens kein vergleichbares Produkt zum breathe ilo am Markt und zweitens sieht man selten Teams, die so divers aufgestellt sind wie das von Carbomed. Der Mix aus jungen, dynamischen Menschen an der operativen Front und erfahrenen Fachexperten im Hintergrund, erzeugt ein interessantes Spannungsfeld, das wahrscheinlich nicht immer ganz so leicht zu managen ist, aber einen großen Anteil am aktuellen Erfolg hat.
Der Begriff „FemTech“ ist nicht unbedingt ein geläufiger. Wie würdest du den Begriff definieren?
Markus: Er ist auch noch ein recht junger Begriff und ich glaube, er ist erst im Zusammenhang mit Fertility Tracking Apps entstanden. Mittlerweile zählt man aber eine Vielzahl an Produkten und Lösungen zum Thema Gesundheit von Frauen dazu, bei denen Technologie zur Anwendung kommt. Fertility Tracking ist nur mehr ein Teilgebiet daraus.
Sind bei einem „FemTech Investment“ Fachinvestoren ein entscheidender Faktor? Wie weit spielte dieser Aspekt eine Rolle bei der Investitionsentscheidung?
Markus: Die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises ist bei jedem Unternehmen wichtig und auch in jeder Due Diligence ein Punkt, dem viel Aufmerksamkeit gewidmet wird. Es ist selbstverständlich gut, dass Fachexperten Mitgesellschafter sind, das war aber nicht der ausschlaggebende Grund für unser Investment.
Wie sieht der weitere Prozess nach dem Investment aus? Worauf werdet ihr in den nächsten Monaten insbesondere achten bzw. was sind die nächsten To Dos?
Markus: Ja, die Reise hat - wenn man so will - jetzt erst richtig begonnen. Fertilitätsmessung ist der erste Use Case, mit dem man angefangen hat. Die Technologie hat aber großes Potenzial, weit über dieses Thema hinauszuwachsen. Daher werden weiterhin viele Ressourcen in die Forschung und Entwicklung fließen. Gleichzeitig soll aber das Wachstum, das man mit dem breathe ilo bisher gezeigt hat, weiter fortgeführt werden. Ein nicht unkomplizierter Spagat, der hier vom Management gemeistert werden muss. Hierbei stehen allerdings wir und alle anderen Gesellschafter mit Rat und Tat aktiv zur Seite.
In gewisser Weise muss man als Investment Manager auch phantasiereich sein. Es gilt, zukünftige Exitszenarien zu entwerfen und einen Blick in die Zukunft des Investments zu werfen. Wie kreativ bist du in dieser Hinsicht? Wo holst du dir „Input“ für deine Kreativität?
Markus: Ich sehe mich in dem Punkt eigentlich gar nicht so kreativ. Ich würde mich im Zusammenhang mit Exitszenarien sogar als eher konservativ bezeichnen. Mir ist es lieber, mich „springt“ eine Exitmöglichkeit direkt an, als dass ich mir über hundert Ecken ein mögliches Szenario konstruiere. Anders als man denkt, kommt es dann sowieso von ganz allein (lacht).
Welches Bild zeichnest du für Carbomed in 10 Jahren?
Markus: Ich bin überzeugt, dass Carbomed bis dahin zu einem führenden MedTech Unternehmen im Bereich der Atemgasanalyse geworden ist und von jedem großen Player in dem Bereich genauestens beobachtet werden wird. Ich bin mir aber sicher, das passiert auch jetzt schon.
Danke für das Interview!
Interviewpartner:
Markus Jandrinitsch ist seit 2017 als Investment Manager beim aws Gründerfonds tätig. Aktuell ist er für ein Portfolio mit einem Gesamtinvestment in Höhe von rund 51 Millionen Euro inklusive der Co-Investments verantwortlich. Neben Carbomed Medical Solution war er im vergangenen Jahr bei neun weiteren Transaktionen federführend, darunter das Neuinvestment an der Rendity GmbH.
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